Der Mensch trachtet gemeinhin danach, die Zeit, die er auf Erden verbringt, nicht nutz- und tatenlos vorüberstreichen zu lassen.
Kreativität, Produktivität und der Drang nach möglichst hochwertiger Erledigung uns auferlegter Aufgaben sind, möchte ich sagen, Grundbedürfnisse, die den meisten von uns innewohnen und auf denen unsere Kultur und Gesellschaft in fundamentaler Weise ruhen.
Nichtstun ist Lebenszeitverschwendung.
Ganz besonders dann, wenn ein klarer Auftrag vorliegt, und eine große Anzahl von Menschen in ihrem täglichen Leben Nachteile erleiden muss, wenn dieser Auftrag nicht rasch erfüllt wird.
Die inzwischen zahlreichen, seit Anfang des Jahrtausends gefassten Beschlüsse und politischen Ankündigungen auf Stadt- und Landesebene zur Umsetzung des Straßenbahn- und Regionalbahnkonzepts (allein Ende 2007 bis heute dies hier, dies und das) sind ohne Zweifel klare Aufträge des Volkes an die Volksvertreter, die Politik. Die Menschen im Großraum Innsbruck leiden unter dem immer noch wachsenden Autoverkehr und man hat im Jahr 2001, zu Recht, erkannt, dass dieses Problem nur mittels leistungsfähiger Schienenverkehrssysteme, der S-Bahn, der Regionalbahn und der Straßenbahn, bewältigt werden kann.
Von 2003 bis Ende 2007 wurden kontinuierlich Vorbereitungen getroffen: es wurde vorbereitend das Straßenbahnnetz umgebaut, es wurde geplant, es wurden die Finanzen ausverhandelt, Konsens mit den Umlandgemeinden erzielt, der Straßenbahnfuhrpark erneuert, eine vertiefende Machbarkeitsstudie erstellt und die erste Ausbaustufe der S-Bahn in Betrieb genommen. Es wurde aber auch das O-Bus-System eingestellt.
Das alles mit dem Versprechen, im Jahr 2008 mit der baulichen Umsetzung der Straßenbahnlinie O und der Stadtbahn zwischen Völs und Rum, später auch noch der Straßenbahnlinie 3 nach Hötting-West und der Stadtbahn nach Hall zu beginnen.
Jedoch: Juli 2008, der Monat des anvisierten Baubeginns, ist verstrichen, und nichts ist geschehen.
Im September hat sich herausgestellt, dass die Detailplanungen immer noch nicht fertig sind, da den IVB der Planungsauftrag nicht erteilt wurde (Presseartikel) und der Verkehrsstadtrat jetzt zwar einen Baubeginn im Frühjahr anstrebt, diesen aber leider nicht garantieren kann.
Der Verkehrslandesrat redet indes von laufenden Planungen beim Land und der Gründung einer Errichtungsgesellschaft im Herbst (Presseartikel).
Unterm Strich zeigt sich dem geneigten Leser und Betrachter folgendes Bild: nach den Beschlüssen Ende 2007 wurde genau gar nichts mehr gemacht. Erst auf Betreiben der Innsbrucker Grünen und der Arbeitsgemeinschaft Innsbrucker Nahverkehr, die den Baustart seit Juli immer wieder bei politischen Funktionären und öffentlich über die Medien urgiert haben, scheint nun wieder Bewegung in die Sache zu kommen. Etwas derber ausgedrückt: man verpasst den in eine Art Leichenstarre verfallenen Zuständigen einen Tritt ins Sitzfleisch, und plötzlich zucken sie wieder. Ihr Job wäre es aber, das Projekt von sich aus zu voranzutreiben!
2008 muss ohne Zweifel als verschwendetes Jahr betrachtet werden.
Am 25. November jährt sich zum 120. Mal das Konzessionsansuchen für die Localbahn Innsbruck - Hall in Tirol, die Keimzelle und spätere Linie 4 der Innsbrucker Straßenbahn. Keine drei Jahre später, am 1. Juni 1891, nahm die rund 15 km lange Bahnlinie von Wilten nach Hall den Betrieb auf. Auch die Stadtbahn, Vorgängerin der Linie 1, benötigte nur vier Jahre Vorlaufzeit, ehe sie in Betrieb ging. Die 18 km lange Strecke der Stubaitalbahn, der heutigen Linie STB, wurde innerhalb von weniger als einem Jahr gebaut - Baubeginn im Mai 1903, Fertigstellung im Juni 1904.
Am Straßenbahn- und Regionalbahnkonzept wird seit 1999, das sind mittlerweile fast zehn Jahre, herumgedoktert.
Zu Anfang des 20. Jahrhunderts mag einiges anders gewesen sein als heute, das ist schon klar. Aber mit genügend politischem Willen und Konsequenz sind solche Leistungen auch heute möglich - und heute sind sie nötiger denn je.
Ein Jahr 2008 ohne Spatenstich für die erste Baustufe Richtung Linser-Areal ist schlimm, aber ein weiteres Jahr ohne diesen Spatenstich wäre unverzeihlich.