Übersicht
Habemus vehiculum - schon bald

Die Spannung steigt nicht nur im Fahrdraht

04/29/2005

< Zurück

Manni Kein weißer, und auch kein weinroter Rauch stieg bislang auf aus dem Kamin jenes Mikrostaates in der Pastorstraße, in dem Tram und Bus sich gute Nacht sagen.
Wie lange muss die Welt zwischen Neu-Rum und Hötting-West noch rätseln?


Nun ist es doch schon eine gute Weile her, dass eine hinter den Mauern des Baltes'schen Reiches von langer Hand vorbereitete Multi-Millionen-Ausschreibung selbiges auf dem Postwege verließ, um, im Nachhinein mehrfach modifiziert, Hersteller schnittiger, funktioneller wie auch umweltfreundlicher Stadtbahnen in wettbewerbender Emsigkeit mit der Frage zu beschäftigen, ob und zu welchem Preis sie ihre Produkte zum Einsatz in Westösterreichs Metropole denn feilbieten könnten - und drei dieser Hersteller, wie man hört, dieses schließlich auch taten.

Genauer gesagt ein Jahr liegt das zurück, einige Tage mehr jetzt schon, ebenso weit in der Vergangenheit die ersten und einzigen Probefahrten eines niederflurigen Wagens, diesfalls aus dem Hause Bombardier, mögen sie auch uns allen noch in recht frischer Erinnerung sein.

Der Autor dieser Zeilen, für den die Tage besser 48 Stunden haben sollten und der jeden ohnehin schon bis zum Anschlag nutzt, war in dieser Zeit von noch mehr eiliger Umtriebigkeit beseelt gewesen als sonst, wollte er doch neben seinem Vollzeit-Job als Web-Entwickler auch noch täglich den geneigten Leser, die geneigte Leserin davon in Kenntnis setzen, ob das Gefährt sich auch bewährte, und welche Auftritte, bevorzugterweise vor urbanem Publikum, es als nächstes absolvieren würde.

Welch erhebendes Gefühl dann das Entdecken des Spezial-Transporters, gerade eingetroffen im Betriebshof, sein Weg zuvor verfolgt mit Hilfe des ÖAMTC, in dessen Verkehrsredaktion eine nette Dame den Autor bereitwillig telefonisch am Laufenden darüber gehalten hatte, wo das gute Stück denn gerade war im Lande und, gegen Ende, in der Stadt (nun wissen die geneigten LeserInnen auch, wie so etwas zu erfahren ist).
Wie spannend die zentimeterweise Abladung, nicht getrübt, noch verwässert von den herbstlich anmutenden Nebeln und dem Regen, die diesen Tag beherrschten.

Noch erhebender die nächtliche erste Ausfahrt, verfolgt und dokumentiert vom Autor auf gut geöltem Fahrrad, Sony, Nakamura, und Shimano sei Dank, staunend jene nachtschwärmerischen Passanten, die des für hiesige Verhältnisse ungewohnt modernen, für manche oder manchen wohl einem UFO - einem Unbekannten Fahr-Objekt - gleichenden Niederflur-Wagens ansichtig zu werden ganz zufällig das Glück hatten.

Am erhebendsten aber die dem Autor dankenswerterweise großzügig gewährte Mit- im Zuge einer nächtlichen Messfahrt - als williges Opfer der Fliehkraft im panoramafenstrigen Heck liegend, während draußen die Lichter der Stadt bei zügiger Fahrt nach hinten entschwanden - Käpt'n, wir gehen jetzt auf Warp-Speed - dorthin, wo noch nie zuvor eine Niederflur-Tram gewesen ist.

Und groß die Freude eines rege zulaufenden Publikums dann, an einem schönen Frühlingstag selbst erleben zu dürfen, wie die hiesige Zukunft des Straßenbahn-Benützens sich anfühlen würde.

Zurück zum Anfang nun: das war einmal, und schmerzlich war der Tag, an welchem das geliehene Stück Zukunft wieder entschwand: in die zweifelsohne schöne Stadt Eskisehir, wo es in mediterranem Klima inzwischen sein Zuhause fand, dazu einen Job im Fahrdienst und wohl viele begeisterte BenützerInnen. Und jetzt? Jetzt warten wir, auf dass der schwere Vorhang in der Pastorstraße sich bald lüfte und jemand hervortreten möge, gezeichnet vom Konklave zwischen Stapeln von Papieren aus den Häusern Bombardier, Siemens und Stadler, um zu verkünden, dass das Warten nun ein Ende hätte und die Entscheidung gefallen sei - von der allerdings so manche und so mancher behaupten, dass sie sie bereits im Voraus ahnten.

Flexity Outlook von Bombardier? Nur weil ein solcher hier war und auch als Grundlage für eine Designstudie diente? Nur weil dieser alle Voraussetzungen der Ausschreibung erfüllen kann? Möglich. Gut möglich.

Aber was, wenn Siemens oder Stadler fehlende, laut Ausschreibung vorhanden zu sein habende Merkmale ihrer Produkte zum Anlass genommen hätten, des Favoriten Preis erheblich zu unterbieten? 22 zum Preis von 19 etwa, nimm 19 Straßenbahnen und du bekommst drei noch gratis dazu? Dafür müsste allerdings noch ein wenig getestet werden, bevor das neue Nahverkehrszeitalter beginnen könnte? Auch gut möglich.

Wir wissen es nicht, und jene, die es wissen, halten sich vornehm zurück, wie Vernunft und auch Gesetz es nun einmal gebieten.

Doch wir müssen uns nicht sorgen.
Genießen wir die Vorfreude, so lang wir sie noch haben, denn wenn wir auch, ganz grundsätzlich, nichts wissen - eines wissen wir doch: bald schon wird es soweit sein.
Aus den inneren Kreisen war zu erfahren: Ende April bis Anfang Juni, der Autor leitet daraus ab: irgendwann im Wonnemonat.

Und macht sich in der Zwischenzeit noch eine Tasse Tee.

Signatur
Manni Schneiderbauer



Vorige Editorials:
> 02.03.2005: Der Straßenbahn-Millenniums-Virus
> 04.01.2005: 2004 ist viel passiert