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In Innsbruck Fehlanzeige!

Warum das Empire State Building damals nicht auf 10 Etagen reduziert wurde

08/29/2005

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Manni Der Frust könnt' einen packen, und man könnte laut schreien, in einem durch und immer schon, wenn man sich ansieht, was die diversen Innsbrucker Stadtregierungen seit Lugger in Sachen Verkehr verzapft haben.
Kann Halbherzigkeit zur Tradition werden?

In den 1950er- und 1960er-Jahren des letzten Jahrhunderts konnte man sich ja noch auf einen benzinschwangeren Zeitgeist ausreden, wenn Straßen verbreitert und Tramlinien eingestellt wurden.

In den 1970ern wurde das schon schwieriger - Ölkrise und die aufkeimende Öko-Bewegung ließen erstmals auch außerhalb eingefleischter Tram-Fangemeinden Zweifel an der Sinnhaftigkeit uneingeschränkten Vorrangs für den Auto-Verkehr aufkommen.

Spätestens in den 1980ern hätte also auch uns im schönen Österreich, im Speziellen hier in Innsbruck, der Knoten aufgehen können - sind wir es doch gewohnt, dass der Zeitgeist in unseren Breiten erst dann herumzuspuken beginnt, wenn er sich anderswo bereits seit fünf bis zehn Jahren ausgetobt hat.

Also ließ man hierzustadte noch ein Jahrzehnterl verstreichen, die Menschen immer mehr unter die Räder kommen, ließ eine Fahrzeuggeneration bei den Straßenbahnen aus (wer braucht schon neue Straßenbahnen, wenn man erst gut 20 Jahre alte gebrauchte Altfahrzeuge aus Deutschland kriegen kann?) und entschied sich dann schlußendlich unter dem Druck der Bevölkerung, die Mitte der 1980er für die Eindämmung des Verkehrs auf die Straße ging und demonstrierte, das Verkehrskonzept (VKZ) 1990 erarbeiten zu lassen.
Wir erinnern uns: Fußgängerzonen bis zum Bozner Platz, bedingungsloser Vorrang für den Öffentlichen Verkehr, eine Straßenbahnlinie ins Olympische Dorf, und mehr. Eine gute Sache.

Dieses Konzept war so gut, dass es die Stadtregierung, die es umsetzen wollte, zu Fall brachte - die automobilen WählerInnen wollten auch weiterhin zum Kaffee trinken in die Innenstadt fahren, bitt'scheen, wo samma denn. Also wählte man jene Partei, deren Bürgermeisterkandidat versprach, für "Anpassungen" zu sorgen. Das "VKZ" wurde dann von diesem auch "angepasst", d.h. erst ordentlich verwässert, dann bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt und anschließend vollkommen zerstört (was, wie bei den Bürgerlichen üblich, als supertolle Leistung verkauft wurde), und wohl ungefähr einer Reduktion des Empire State Buildings auf 10 Etagen gleichkam.
In solchen Fällen (wie übrigens auch damals beim Zustandekommen der ersten schwarz/blauen Bundesregierung, aber das ist zweifellos ein anderes Thema) zweifelt der Autor übrigens an der Sinnhaftigkeit und Funktionsfähigkeit der Demokratie - aber es gibt nun mal leider kein weniger schlechtes politisches System.
Wie auch immer, das "VKZ" verschwand gewissermaßen im Blechsalat und tauchte nicht mehr auf.

Nun möchte man meinen, dass nach einem weiteren Jahrzehnt vielleicht ein wenig Einsicht eingekehrt sein könnte.

Man baut nun die Straßenbahn aus, dimensioniert Gefäßkapazitäten und Intervalle aber nach Fahrgastzählungen, die zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme fast zwanzig Jahre zurück liegen (ist billiger - und am Budget ist nicht zu rütteln), und errichtet Neubaustrecken nach Standards, die vor vierzig Jahren Gültigkeit hatten (Trassen im Straßenplanum und im Mischverkehr).

Man führt die Tradition der Halbherzigkeit also fort, trägt hier ein bisschen Schminke auf und kittet dort ein bisschen, spuckt große Marketing-Töne und arrangiert sich mit den AutofahrerInnen, die man ja nicht vor den Kopf stoßen will.

Aber nein, nicht doch, liebe AutofahrerInnen, wir wollen euch keinesfalls zumuten, auf die Öffis umzusteigen. Selbstverständlich wird jeder Winkel der City auch in Zukunft für euch erreichbar bleiben. Wir brauchen euch doch in der Innenstadt, kommt nur, setzt euch in eure bunten Blechkisterln, eurem liebsten Spielzeug, mit dem ihr euch identifiziert und von dem ihr euch auch mal erotisieren lasst, das eure persönliche Unabhängigkeit und euren individuellen Charakter unterstreicht und euch die große Freiheit verleiht, und tuckert gemütlich in die City, das bisschen Stau macht euch ja nichts aus und ihr müsst auch nicht neidig auf jene schauen, die in den Öffis sitzen, denn die sind ganz solidarisch und stauen mit euch mit, und überhaupt, es gibt ja nicht nur jede Menge Parkhäuser, sondern auch genügend Parkplätze an der Oberfläche, und man kann fast überall hin fahren, sogar in die Fußgängerzonen, denn die schauen sowieso nicht aus wie Fußgängerzonen (sind euch die Unmengen wunderschöner Verkehrsschilder in der Altstadt schon mal aufgefallen?), und wenn, ja wenn man auch mal wo durchfährt, wo man eigentlich nicht durchfahren dürfte, dann macht das ja in Wahrheit auch nicht wirklich was aus - hey hey, wir wollen ja nicht kleinlich sein, Fehler können jedem passieren, und abgestraft wird deshalb so gut wie nie.
Oh, und bald könnt ihr über den neuen Autobahnanschluß Mitte noch viel schneller ins Zentrum gelangen - ist das nicht ein Service?
Wir, die letzte bürgerliche Stadtregierung* einer österreichischen Großstadt, lieben euch AutofahrerInnen doch von ganzem Herzen!

AutofahrerInnen willkommen! Parkplätze vor dem Geschäft! Eine Stunde frei! Parken am Gehsteig zu Ladezwecken gestattet!

Wird die Tram so den erwünschten Rückgang des motorisierten Individualverkehrs bringen? In Innsbruck Fehlanzeige!


Signatur
Manni Schneiderbauer

* Der Autor ruft die Bevölkerung hiermit auf, bei den Gemeinderatswahlen im Frühjahr 2006 die Konservativen endlich zum Teufel zu schicken.



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> 29.04.2005: Habemus vehiculum - schon bald
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