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Mit der Tivoli-Tram ins Sillhöfequartier
Neue Schienenachse im Süden soll 2024 den Betrieb aufnehmen – Tangentialer Netzlückenschluss zwischen den Linien 1 und 3
05/14/2021

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Eine lang erwartete Erweiterung des Tramnetzes soll jetzt realisiert werden: die Tivoli-Tram. Zuletzt war diese Neubaustrecke auf strassenbahn.tk im Oktober des Vorjahres erwähnt worden, mehr dazu auch hier und hier.

Auf grünen Gleisen künftig vom Bergisel über Sillhöfequartier und Tivolistadien nach Amras (Visualisierung)

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Innsbruck wächst stark. Schon seit Jahren entstehen deshalb unter dem grünen Bürgermeister Georg Willi neben einzelnen Wohnanlagen auch, über die ganze Stadt verteilt, neue Stadtviertel mit meist hoher Baudichte, jedes davon mit mehreren Hundert bis mehreren Tausend Wohneinheiten. Alle haben gemeinsam, dass Autos nicht erwünscht und innerhalb der Quartiere auch nicht erlaubt sind; die primären Verkehrsträger sind der öffentliche Verkehr und das Fahrrad. Die meisten der neuen Quartiere haben bereits eine Tramanbindung oder bekommen eine solche noch rechtzeitig vor dem Bezug der ersten Wohnungen.

Auch das erst vor wenigen Wochen der Öffentlichkeit präsentierte “Sillhöfequartier” in Südpradl gehört zu diesen Neubauquartieren und soll als primäre Verkehrsanbindung einen Schienenanschluss bekommen. Dieses innenstadtnahe Areal befindet sich westlich und südwestlich des "Sportviertels" in Südpradl mit der Olympiahalle, der Eishalle, dem Eisring und den Fußball-, Football- und Beachvolleyballstadien am Tivoli. Mit Baubeginn 2022 entstehen dort im Endausbau 800 Wohneinheiten in dichter, durchgrünter Bebauung. Zusätzlich befinden sich im unmittelbaren Einzugsbereich bereits weitere Quartiere mit mehreren Tausend Einwohnerinnen und Einwohnern, zahlreichen Büros und Gewerbebetrieben. Auch der neue Fernbusbahnhof ist dort vorgesehen, er wird nach aktuellen Planungen am Areal des jetztigen Parkplatzes West der Olympiahalle entstehen und benötigt eine Anbindung an den hochrangigen städtischen ÖPNV.

Eine direkte Erschließung mit der Tram ist daher aus ökologischer, verkehrsfachlicher und auch aus volkswirtschaftlicher Sicht die beste Lösung – darüber sind sich Bürgermeisterpartei, städtische Verkehrsplanung und IVB einig. Der Netzlückenschluss Bergisel–Amras war bereits im Mobilitätsprogramm der Innsbrucker Grünen zur Gemeinderatswahl 2018 enthalten und soll nach dem Willen von Bürgermeister Georg Willi, Mobilitätsstadträtin Uschi Schwarzl und der stimmenstärksten Fraktion im Gemeinderat jetzt rasch zur Umsetzung kommen.

Schon 2000, zum Bau des neuen Tivolistadions, war die Wiesengasse, die jetzt eine ausschließlich von der Linie M genutzte Bus-Trasse ist, für den Einbau von Straßenbahngleisen vorbereitet worden. Nun sollen die Schienen zwar nicht mehr in die vorhandene Asphaltstraße für den Bus verlegt werden, sondern in ein begrüntes eigenes Gleisbett; dennoch hilft die Bau-Vorleistung von 2000, das Projekt günstiger und schneller umsetzbar zu machen, da vor dem Bau keine unterirdischen Leitungen verlegt werden müssen.

Trassierungsvarianten der Ausbaustufe 1 "Bretterkeller" bis "Stadion"

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Plangrundlage: Stadt Innsbruck
Strecke und Kosten
In Untersuchungen und fachlichen Prüfungen der IVB, des Amtes für Verkehrsplanung und der Innsbrucker Grünen wurden verschiedene Aspekte einer Straßenbahnerschließung der Sillhöfe, der Stadien und von Südpradl überprüft (Plangrafik rechts) und die Machbarkeit festgestellt.

Die Neubaustrecke soll im Bereich der Haltestelle Bretterkeller von der Strecke der Linie 6 abzweigen und über eine von drei Trassenvarianten (Minimal A, Minimal B, Minimal C in der Grafik) zunächst in das Sillhöfequartier führen. Dort befindet sich die erste Haltestelle "Wiesengasse". Bei einer alleinigen Erschließung des Sillhöfequartiers wäre ca. 200 m weiter nördlich im Zentrum des neuen Viertels der Endbahnhof (Verlängerung B in der Grafik). Es herrscht allerdings unter den Verantwortlichen Übereinstimmung darüber, dass die Tram auch die östlich gelegenen Sportstadien erschließen soll; sehr wahrscheinlich werden die nächste Haltestelle und damit der Endbahnhof der ersten Ausbaustufe daher im Bereich der heutigen Buswende der Linie M liegen (Verlängerung A in der Grafik).

Die rund 700 m lange Neubaustrecke bestehend aus den Trassenvarianten Minimal C und Verlängerung A wird ohne Grundablösen auf ca. 6,2 Mio € geschätzt; diese Trassenvariante kommt vollständig ohne Mischverkehrsabschnitte aus und kann weitgehend als Grüngleis ausgeführt werden.

Etwa gleich lang, aber mit ca. 6,5 Mio € (ebenfalls ohne Grundablösen) etwas teurer ist die Kombination der Trassenvarianten Minimal A und Verlängerung A, die durchgehend der Wiesengasse folgt, wo zumindest in einem kurzen Abschnitt Mischverkehr nicht vermeidbar ist, denn die Wiesengasse muss bis zu den Tennisplätzen durch den Individualverkehr befahrbar bleiben. Nachteil: der Mischverkehr kann die Reisezeit verlängern und der Anteil an Grüngleisstrecke ist geringer.

Überblick über den gesamten Netzlückenschluss Bergisel–Amras

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Plangrundlage: OpenStreetMap
Weiterführung nach Osten als Netzlückenschluss
Östlich der Haltestelle Stadion soll anschließend in einem kurzen Tunnel unter der Resselstraße hindurch (die bestehende Straßenunterführung ist nicht nutzbar und außerdem zu niedrig) entlang der Wiesengasse weitergefahren und am Beginn der Philippine-Welser-Straße mittels eines Gleisdreiecks an die Strecke der Linie 3 angebunden werden.

Dieser Streckenabschnitt ist mit rund 800 m fast gleich lang; hier gibt es noch keine Kostenschätzung. Neben der vergleichsweise aufwändigen Untertunnelung der Resselstraße sind hier auch vorbereitende Untergrund-Leitungsarbeiten notwendig, weswegen die Realisierung voraussichtlich in einer zweiten Stufe erfolgen muss und etwas länger dauern wird.

Viel Grün und ein großes Parkgelände werden das Sillhöfequartier dominieren (Visualisierung)

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Anbindung an das Bestandsnetz von und nach Westen
Ein zweigleisiger Ausbau der mitbenützten, erst vor kurzem komplett erneuerten Strecke der Linie 6 von der Klostergasse über die Trientiner Brücke bis zur Haltestelle "Bretterkeller" erscheint nicht notwendig; der eingleisige Streckenabschnitt ist mit Signalen zu sichern, das Betriebskonzept der Linie 6 entsprechend anzupassen. Ab der Ausfädelung der Stadion-Anbindung ist Zweigleisigkeit möglich.

Die Stromversorgung der Erweiterungsstrecke ist zumindest bis Sillhöfequartier bzw. Stadion ohne zusätzliches Unterwerk über die bestehende Stromversorgung der Linie 6 möglich. Im Gegenzug kann die Osthälfte der Wiesengasse, die zweite Ausbaustufe, von Amras her versorgt werden.

Einsparungspotenzial und Dekarbonisierungs-Effekt
Da der gesamte Südostast der Buslinie M eingestellt werden kann (laufende Erweiterungsüberlegungen dieser Linie nach Süden oder Osten bleiben dafür unberücksichtigt und müssen ggf. auf anderem Weg realisiert werden), entfallen zwei Normalbusse. Damit können zwei Busse und 4 Fahrerinnen und Fahrer (plus Reserve) eingespart werden.

Weiteres Einsparungspotenzial ergibt sich durch die Möglichkeit, Sonderzüge bei Veranstaltungen in Olympiahalle und Tivolistadion zu führen, mit denen mit weniger Fahrpersonal ein Vielfaches der Personenanzahl von Gelenkbussen transportiert werden kann - dies war der ursprüngliche Zweck einer Stadionanbindung per Tram.

Wie viel im Gegenzug an Straßenbahnfahrzeugen und -fahrpersonal einzusetzen ist, hängt vom noch festzulegenden Betriebskonzept ab. Im Idealfall werden keine zusätzlichen Fahrzeuge benötigt. Jedenfalls erfolgt hiermit bereits rund 15 Jahre vor der geplanten Voll-Dekarbonisierung des Innsbrucker ÖPNV eine Verlagerung von Fahrgästen weg vom Dieselbus und hin zum elektrischen Schienenverkehr.

Zweite Betriebshofzufahrt als zusätzlicher betrieblicher Nutzen
Durch das Zusammenziehen aller Werkstätten und großen Abstellanlagen für die Tram in Wilten ergibt sich eine Systemvulnerabilität, die sehr problematisch werden kann: im Fall einer längeren Unterbrechung am Südast der Linie 1, der einzigen Zufahrtsstrecke zu den Betriebshöfen, könnte das gesamte Tramnetz zusammenbrechen. Daher besteht akuter Bedarf nach einer weiteren Zufahrtsmöglichkeit in die Pastor- und Duilestraße.

Mit dem Netzlückenschluss Bergisel–Amras wird eine solche zweite Zufahrt geschaffen. Von Amras aus können dann im Störfall und auch im Regelbetrieb Fahrzeuge aus den Betriebshöfen via Bergisel und Stadion ausrücken und einziehen.

Zukünftige Tram-Südachse über die Roßau ins O-Dorf
Auch für eine langfristige Vision ist damit die Grundlage geschaffen: die Schienenachse Amras–Roßau–O-Dorf. Sie würde am Endbahnhof Amras der Linie 3 anschließen und über DEZ und die Roßau in den Osten führen und damit endlich das Problem der schlechten ÖPNV-Anbindung von DEZ und Roßau an den Osten der Stadt und das östliche Umland lösen. Ein weiterer notwendiger Netzlückenschluss würde damit entstehen.

Betriebskonzept
Ein Betriebskonzept ist noch nicht festgelegt. Es gibt mehrere Möglichkeiten. Im Vollausbau könnte etwa jeder zweite Kurs der Linie 1 als Linie 1a bis "Stadion" und jeder zweite Kurs der Linie 3 als Linie 3a bis "Sillhöfe" fahren und dort jeweils wenden. Damit wäre von beiden Haltestellen aus ein Zehnminutenintervall in die Innenstadt gewährleistet und es würde auch durch die kommende Einbindung der Linie 6 in die Linie 1 keine Intervalllücke entstehen.

Budgetierung und Zeithorizont
So wie die Linie 5 im künftigen Harterhofquartier soll auch die Tramanbindung des künftigen Sillhöfequartiers rechtzeitig zum Bezug der ersten neuen Wohnungen den Betrieb aufnehmen. Baubeginn für das Sillhöfequartier ist im kommenden Jahr.

Aufgrund der kurzen Streckenlänge der ersten Ausbaustufe erscheint eine Umsetzungsdauer von 18 Monaten ab Planungsbeginn realistisch.

> Diskussions-Thread zu diesem Thema im Forum

(mps,ig)

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