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IVB-Dekarbonisierungsstrategie mit Tram-Erweiterungen, neuen Obuslinien und urbaner Seilbahn
Größte Öffi-Ausbauoffensive aller Zeiten in Innsbruck wird offiziell vorgestellt
07/15/2021
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In der heutigen Gemeinderatssitzung präsentierten die IVB mit der "Dekarbonisierungsstrategie" die Grundlagen der bisher größten und umfangreichsten Ausbauoffensive aller Zeiten für den Öffentlichen Verkehr der Landeshauptstadt.
Gemäß dem Grundsatzpapier wird der gesamte Verkehr der IVB mit Ausnahme einiger Reservebusse bis 2035 auf elektrischen Antrieb umgestellt. Bürgermeister Georg Willi (Grüne), Mobilitätsstadträtin Uschi Schwarzl (Grüne) und Landesrätin Ingrid Felipe (Grüne) haben diesen Prozess bereits vor zwei Jahren eingeleitet – strassenbahn.tk berichtete darüber erstmals im Oktober des Vorjahres.
Basis dafür sind unter anderem das kommende SFBG (Saubere-Fahrzeuge-Beschaffungsgesetz) und die EU-Verordnung CVD (Clean Vehicles Directive). Innsbruck wird aber weit mehr machen als nur die gesetzlichen Mindestanforderungen zu erfüllen.
Mittlerweile steht fest, dass die heutigen Dieselbuslinien mit bis zu mittlerer Nachfrage auf Batterie-E-Busse (BE-Busse) umgestellt werden. Der Beschaffungsplan der IVB sieht vor, bereits im kommenden Jahr die ersten vier BE-Busse anzukaufen und danach bis 2035 jedes jahr sukzessive jeweils 4 bis 8 weitere, parallel zur noch laufenden Beschaffung der letzten Dieselbusse. Die letzten zwei Dieselbusse sollen plangemäß 2027 beschafft werden. Damit wird der niederrangige öffentliche Verkehr der IVB vollständig dekarbonisiert.
Wirklich interessant und auch kostenintensiv wird es auf den Buslinien mit hoher Nachfrage, denn sie sollen auf andere, leistungsfähigere Systeme mit elektrischem Antrieb umgestellt werden; wie ebenfalls bereits berichtet, ist die Entscheidung hierfür auf die Systeme Obus bzw. Unterwegslader-Obus, urbane Seilbahn und das hochrangige Tramsystem gefallen. Jedes dieser Systeme wurde bzw. wird in Detailstudien von den IVB gemeinsam mit dem VVT, Fachfirmen und verschiedenen Universitäten wissenschaftlich untersucht.
Aus heutiger Sicht werden jedenfalls die Systeme Tram und Obus stark ausgebaut bzw. neu eingeführt werden. Das System der urbanen Seilbahn beschränkt sich allenfalls auf eine einzige Strecke und seine Einführung ist wegen vieler Unsicherheitsfaktoren eher fraglich.
Trassierung der urbanen Seilbahn Hauptbahnhof–Stadion–Lans
Grafik: BERNARD Gruppe
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Passend zu diesem Thema wurde die erste der drei Detailstudien mit Potenzialanalysen und Betriebssimulationen, die "Seilbahnstudie" unter Beteiligung der Universität Innsbruck und des Seilbahnherstellers Doppelmayr, präsentiert. Sie wird bis Herbst fertiggestellt.
Das wichtigste Resultat: von sechs untersuchten innerstädtischen und regionalen Relationen zur Umstellung auf unter- oder oberirdische Standseilbahnen oder Luftseilbahnen blieb nur eine Luftseilbahn-Verbindung vom Hauptbahnhof bzw. Sillpark über das Tivoli-Stadion ins Mittelgebirge nach Lans und zur Talstation der Patscherkofelbahn als wirtschaftlich und technisch machbar übrig (Grafik links).
Die Kabinenbahn mit Verknüpfungsstationen zum Fern-, Regional- und Stadtverkehr wäre direkt mit einem Upgrade der Linie 6 zur schnellen Stadtregionalbahn nach Aldrans mit Neutrassierung ab Schönruh verbunden; ein zusätzlicher Weiterbestand der alten 6er-Waldstrecke nach Igls wäre fraglich.
Potenzielle künftige Obuslinien
Grafik: IVB
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An der Universität Wuppertal läuft gegenwärtig noch die "eObus-Studie", eine Detailuntersuchung mit verkehrs- und elektrotechnischen Simulationen jener Relationen und Linien im Innsbrucker Stadt- und Regionalverkehr, die ganz oder zum Teil auf Unterwegslader-Obusse umgestellt werden sollen; auch hier haben vorangegangene Untersuchungen von Universität Innsbruck und IVB bereits eine Vorauswahl der möglichen Linien ergeben, es sind dies C, F, J, M, R und T und die Regionallinie 404 (Grafik rechts).
Entscheidende Kriterien waren eine ausreichend hohe Fahrgastzahl (für Buslinien) sowie die bestmögliche Nutzung der Systemvorteile des Obusses (Steigungsstrecken, gemeinsame Nutzung von Infrastruktur durch Stadt- und Regionalverkehr).
Diese Untersuchung wird in Kürze abgeschlossen sein.
Tramneubaustrecken in der Dekarbonisierungsstrategie
Grafik: UIBK
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Als wichtigste und umfangreichste der drei Systemstudien wird, wie ebenfalls bereits berichtet, eine "Schienenverkehrsstudie" alle Möglichkeiten zum Ausbau des Tramnetzes detailliert untersuchen.
Dazu gehören neben den links abgebildeten möglichen Neubaustrecken der Dekarbonisierungsstrategie, der Linie 3-West (1), einer Anbindung des DEZ (2), einer Schienenachse durch die Reichenau (3) und der "Stadiontram" (4) auch die Verlängerung der Linie 5 nach Hall, die Schienenachse Amras–Roßau–O-Dorf, die Verlängerung der Linie 6 nach Igls Ortsmitte und die Stadtregionalbahnlinie ins westliche Mittelgebirge.
Die vom Land finanzierte Schienenverkehrsstudie soll bis Ende des Jahres durchgeführt werden.
Erst nach deren Abschluss und einem Vergleich der Ergebnisse kann endgültig beurteilt werden, welche hochfrequentierten Verbindungen künftig mit welchem Verkehrssystem abzuwickeln sind, denn es gibt einige Relationen, für die mehrere Systeme in Frage kommen; beispielsweise wurde und wird der enorm fahrgaststarke ÖV-Korridor ins westliche Mittelgebirge sowohl in der Seilbahnstudie als auch in der Obusstudie und in der Schienenverkehrsstudie untersucht, wie auch der Korridor Stadion–Sillpark sowohl als Tramstrecke als auch als Teil der urbanen Seilbahn ins Mittelgebirge denkbar sind. Konkurrenzlos aus Sicht der Tram ist dort nur die Neubaustrecke Bergisel–Stadion–Amras (strassenbahn.tk berichtete über die "Stadiontram" im Mai).
Basierend auf den Systemstudien sind im kommenden Jahr die ersten Umsetzungsbeschlüsse zu erwarten. Die Derkarbonisierungsstrategie wird gemeinsam mit dem Land umgesetzt und zu einem guten Teil durch die von der zuständigen Ministerin Leonore Gewessler (Grüne) neu geschaffenen Bundesförderungen möglich gemacht, die vor allem von NR-Abg. Hermann Weratschnig (Grüne) ausverhandelt wurden. Auch EU-Förderungen sollen angezapft werden. IVB und VVT werden noch mehr miteinander verzahnt als bisher. Die Ausbauoffensive begleitet das bereits beschlossene 409-Millionen-Euro-Schienenverkehrs-Infrastrukturpaket von Land und Bund (strassenbahn.tk berichtete im Februar).
Was heute bereits systemtechnisch feststeht, soll es möglichst bereits ins Budget für 2022 schaffen – dazu gehören etwa der Beginn der BE-Busbeschaffung, aber auch die Planung der bereits 2023/24 zu eröffnenden "Stadiontram".
(mps)
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