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Nach dem Rechnungshofbericht: So geht es langfristig weiter mit dem Tram-Ausbau
Ist der Bericht des Landesrechnungshofes die Initialzündung für eine schnellere Realisierung? Eine Analyse
01/25/2012
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Nächste Haltestelle: Höttinger Au.
Ab März wird der Westkorridor weitergebaut, in etwas mehr als zehn Monaten rollen im hier dargestellten Streckenabschnitt die Trams.
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Visualisierung: strassenbahn.tk, Bildhintergrund: norc.at
Der fertige "Regionalbahn"-Bericht des Landesrechnungshofes mit den Stellungnahmen der Landesregierung liegt strassenbahn.tk schon seit einigen Tagen vor, veröffentlichen dürfen wir ihn erst heute.
Gleich vorweg: Planung und Bau des Westkorridors, der Neubaustrecken nach Hötting-West und Allerheiligen, laufen mehr oder weniger reibungslos. Bis 2014 reicht im Moment der Planungshorizont, die Stadt möchte aber das Gesamtprojekt ohne Bauunterbrechungen umsetzen, so ist auch die politische Beschlusslage. Die im Rechnungshofbericht geforderte Professionalisierung wird vor allem den Bau beschleunigen und transparenter machen.
Wie bereits im Dezember berichtet, wurde das Verkehrs-Großprojekt von der Kontrollabteilung des Landes genauestens unter die Lupe genommen. Aufgedeckt wurden dabei in erster Linie Probleme, über die - hinter vorgehaltener Hand oder auch in politischen Debatten - schon seit Jahren geredet wird. Nun sind sie offiziell, und der Grundtenor ist eindeutig: die Umsetzung muss professionalisiert und beschleunigt werden.
Was ist der Landesrechnungshof und was bewirkt ein solcher Bericht?
Der Landesrechnungshof ist ein weisungsfreies Organ des Tiroler Landtages, hervorgegangen aus dem ehemaligen Kontrollamt, und unterstützt diesen mit Berichten und Empfehlungen.
Seine Aufgabe ist es, die zweckgemäße und wirtschaftliche Verwendung öffentlicher Mittel überprüfen. Das geschieht unabhängig, objektiv und auf fachlich hohem Niveau. Mängel werden aufgezeigt und Verbesserungsvorschläge unterbreitet.
Keinen direkten Einfluss hat der Landesrechnungshof auf die Gebarung der Statutarstadt Innsbruck. Für diese ist die städtische Kontrollabteilung zuständig.
Üblicherweise wird den Empfehlungen des Landesrechnungshofes Folge geleistet.
Wir haben den Bericht analysiert und listen im Folgenden die wichtigsten vom Rechnungshof kritisierten Probleme und die sich daraus ergebenden tatsächlichen oder möglichen Konsequenzen.
Der Bericht bezieht sich auf die als "Regionalbahn" bekannte, geplante Stadtbahnlinie, die im Vollausbau ab etwa 2018 die Agglomeration Innsbruck in Ost-West-Richtung, von Völs nach Rum und in einem weiteren Erweiterungsschritt bis nach Hall, durchfahren wird. Die Strecken der neuen Tramlinien innerhalb des Stadtgebietes liegen im Verantwortungsbereich der Stadt Innsbruck und werden nicht direkt thematisiert, sie sind aber aufgrund der gemeinsam genutzten Streckenabschnitte selbstverständlich ebenfalls betroffen.
Kritikpunkt: Fehlender Syndikatsvertrag
Nach mittlerweile acht Jahren Projektlaufzeit existiert immer noch kein unterzeichneter Syndikatsvertrag, der die Zusammenarbeit von Land, Stadt, IVB und IKB rechtlich regelt. Mehrere politische Anläufe zur Fertigstellung und Unterzeichnung dieses Papiers sind fehlgeschlagen.
Laut Stellungnahme der Landesregierung wurde zuletzt eine Anwaltskanzlei beauftragt, einen unterschriftsreifen Vertrag auszuarbeiten.
Nach Auskunft eines Insiders liegt der Vertrag allerdings bereits seit geraumer Zeit "in der Schublade" und wartet nur auf entsprechende Beschlüsse.
In den kommenden Monaten sollen nun die fehlenden Beschlüsse nachgeholt und der Syndikatsvertrag von allen Seiten unterzeichnet werden.
Kritikpunkt: Fehlende Projekt-Struktur für das Gesamtprojekt
Wer die Informations-Website der IVB zum Tram-Ausbau besucht, findet dort nur Informationen zur "Bauetappe 1a", der laufenden Verlängerung der Linie 3 bis zum Ende der Höttinger Au. Die politisch schon längst beschlossenen weiteren Bauetappen scheinen dort nicht auf. Grund dafür sind fehlende Vereinbarungen zur Umsetzung des Gesamtprojektes, also aller neuen Tram-Linien und der Stadtbahnlinie Völs - Hall.
Auch dieses Problem wurde von der politischen Opposition im Landtag, aber auch um Gemeinderat immer wieder kritisiert.
Prognose: Im Syndikatsvertrag wird auch diese Projektstruktur festgelegt. Damit kann mit Gültigwerden dieses Vertrags das Gesamtprojekt, also der gesamte Tram-Ausbau inklusive "Regionalbahn", auch öffentlich angekündigt werden und man muss sich nicht mehr von Bauetappe zu Bauetappe vorantasten.
Kritikpunkt: Fehlende Personalressourcen beim Land
Auf Landesseite gibt es bis dato wegen fehlenden Personals kein durchgängiges Kosten- und Terminmanagement.
Laut Stellungnahme der Landesregierung liegt die Projektabwicklung derzeit in den Händen der IVB. Dort arbeiten mittlerweile 3 Personen vollzeit und eine halbtags daran. Weitere zwei Vollzeitstellen sind bereits genehmigt.
Dennoch übt der Rechnungshof weiter schwere Kritik und fordert aufgrund der finanziellen Größenordung von über 400 Millionen Euro eine Regelung im Syndikatsvertrag.
Prognose: Auch dieses Problem wird mit dem Vertrag beseitigt und die Ausstattung mit Personal darin geregelt werden.
Kritikpunkt: Keine professionelle Datenverwaltung
Die Daten zum Projekt werden nicht zentral gewartet und bereitgestellt, wodurch es zu Überschneidungen und unterschiedlichen Informationsständen kommen kann.
Daran will die Landesregierung aber nichts ändern, da das inzwischen "gewachsene" System den derzeit damit Arbeitenden ausreichend erscheint.
Kritikpunkt: Keine Transparenz bei den Kosten, die das Land trägt
Hier gehen die Auffassungen von Rechungshof und Landesregierung klar auseinander. Während der Rechnungshof bemängelt, dass die schon getätigten Vorleistungen des Landes für das "Regionalbahnkonzept" wie z.B. die Mitfinanzierung der Fuhrparkerneuerung nicht in den Kostenaufstellungen für die "Regionalbahn" enthalten sind, ist die Regierung der Meinung, dass es sich dabei um Zuschüsse handelt, die durch eigene Beschlüsse gedeckt waren.
Dieser Punkt wurde und wird häufig von Bahngegnern angeführt, die gerne die verschiedenen Investitionspakete durcheinanderbringen.
Prognose: Hier wird nachträglich nichts mehr geändert werden können, dafür besteht auch kein Bedarf. Die Fördermittel wurden bereits richtig eingesetzt. Die Optik ist allerdings etwas schief, da "Regionalbahn" und Fuhrparkerneuerung bzw. Ausbau-Vorleistungen tatsächlich nicht immer klar voneinander getrennt wurden.
Kritikpunkt: Fehlender Terminplan
Leser von strassenbahn.tk können sich noch an mehrere Ankündigungen voraussichtlicher Spatenstiche erinnern, die leere Ankündigungen blieben. Auch der Zeitplan für die Realisierung der bereits beschlossenen Projektteile wurde mehrmals revidiert. Am Grund dafür übt der Landesrechnungshof schwere Kritik: es gibt keinen vertraglich festgelegten Zeitplan für das Gesamtprojekt.
Die Landesregierung kündigt in ihrer Stellungnahme an, als ersten Schritt die Kosten des Gesamtprojektes neu zu berechnen und den verlangten Gesamtzeitplan zu erstellen, was aber wegen des Risikos von Einsprüchen gegen Baubescheide schwierig sei.
Interessantes Detail am Rande: die bisherige Verzögerung in der Umsetzung beträgt tatsächlich "nur" drei Jahre.
Prognose: Spätestens mit dem Syndikatsvertrag, der ein Projektmanagement für das Gesamtprojekt vorsehen wird, wird es auch einen verbindlichen Zeitplan für alle Bauetappen geben, der regelmäßig aktualisiert wird. Weitere Verzögerungen aufgrund fehlender Beschlüsse sind daher ausgeschlossen, Verzögerungen durch Einsprüche können durch rechtzeitige Einleitung der Umsetzung des jeweils nächsten Abschnitts verhindert werden. Mit der Fertigstellung der Linie 3 (ohne Westast bis Steinbockweg), der Linie O mit allen Ästen und der Linie Völs - Rum kann bis 2018 gerechnet werden, deren Verlängerung bis Hall und die Linie 3 könnten anschließend bis 2020 realisiert sein.
Meinung
Der Rechnungshofbericht zeigt klar auf, dass sämtliche Kritik vor allem der (linken) Opposition in Land und Stadt berechtigt war. Es geht nicht an, ein Großprojekt mit dem sagenhaften Umfang von rund 400 Mio. Euro zu beschließen und mit seiner Umsetzung zu beginnen, ohne genau und rechtlich abgesichert steuern zu können, wohin der Weg geht. Da helfen auch die ständigen Beteuerungen seitens der Stadt- und der Landesregierung, dass eh "alles auf Schiene" sei, nichts.
Die interessierte Öffentlichkeit, aber auch die politischen Befürworter des größten Tram-Projekts Österreichs erwarten nun ein rasches Nachholen der wenigen Beschlüsse, die für die Unterzeichnung des Syndikatsvertrags noch notwendig sind. Der seit Jahren urgierte Vertrag wird nicht nur die Projektumsetzung beschleunigen, sondern auch endlich die Vorausplanung umfangreicher Begleitmaßnahmen ermöglichen.
Neben dem Land Tirol ist vor allem die Stadt Innsbruck treibende Kraft hinter der Umsetzung. Die politische Wetterlage steht und stand in der Stadt schon seit 2001 auf "Ja zum Tram-Ausbau". Daran wird sich nichts ändern. Da die Stadt aber dieses riesige Projekt alleine nicht zu stemmen vermag, müssen die Stadt Innsbruck wie auch das Land Tirol nun rasch ihre Hausaufgaben erfüllen, den Syndikatsvertrag unterzeichnen und endlich das seit langem geforderte Projektmanagement installieren!
Manni Schneiderbauer
(mps, ivb)
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