Die KI weiß nicht, dass ein Maglev keine Schienen hat.
Anzengruber möglicherweise auch nicht.
Während Bürgermeister Georg Willi sich schon bald anschickt, den nächsten von ihm initiierten Meilenstein im Innsbrucker Schienennahverkehr zu eröffnen — die Verlängerung der Linie 6 wird aller Wahrscheinlichkeit nach am Samstag, dem 15. Juni starten — versucht sein Mitbewerber in der Bürgermeister-Stichwahl, Johannes Anzengruber, mit Populismus zu punkten und verspricht in seinem Mobilitäts-Wahlprogramm nicht Nachvollziehbares, während vom notwendigen Tram-Ausbau darin keine Rede ist.
Über die für den öffentlichen Verkehr relevanten Punkte im Wahlprogramm der Innsbrucker Grünen, die erneut als Stimmenstärkste aus der Gemeinderatswahl hervorgingen, und ihres Spitzenkandidaten Georg Willi hat der Herausgeber von
strassenbahn.tk bereits
am 8. April einen ausführlichen Kommentar mit allen Eckdaten geschrieben. Das grüne Wahlprogramm entstand unter seiner Beteiligung in einem mehrmonatigen Prozess und sämtliche Programmpunkte wurden auf Plausibilität und Machbarkeit geprüft.
Nun, da Johannes Anzengruber seit 14. April als Konkurrent von Bürgermeister Georg Willi für die Stichwahl feststeht, wurden die mobilitätsrelevanten Punkte in Anzengrubers Wahlprogramm von
strassenbahn.tk analysiert. Die Analyse zeigt, dass die meisten Punkte darin populistisch motiviert erscheinen und/oder nicht machbar bzw. fachlich falsch sind, einige davon den gebotenen Notwendigkeiten der Mobilitätswende sogar klar widersprechen und auch die enthaltenen Visionen fälschlich als "konkrete Schritte" überschrieben sind. Hinzu kommt, dass sämtliche im Folgenden nicht gelisteten Punkte Maßnahmen sind, die sich ohnehin bereits in Umsetzung befinden bzw. von den Innsbrucker Grünen längst initiiert wurden.
Die Punkte 8 und 14 waren namensgebend für den Titel dieses Artikels, da Anzengruber sowohl eine Magnetschwebebahn als auch kostenlosen ÖV im Stadtgebiet fordert.
Die Vermutung liegt nahe, dass Anzengruber sein Wahlprogramm auch an der von ihm auch angesprochenen FPÖ-Wähler:innenschaft zu orientieren hatte, zumal er das Abtreten von Ressortverantwortung an die FPÖ nicht ausgeschlossen hat.
Auszug aus der Analyse
In Punkt 1 fordert Anzengruber:
"Unnötige Sperrlinien und Schweller entfernen, um Verkehr zu reduzieren und Einsatzorganisationen zu unterstützen".
Die Beseitigung von Markierungen und Leitelementen wäre nicht nur kontraproduktiv für die Verkehrssicherheit und würde vor allem rücksichtslose Autofahrende zum Regelbrechen einladen, sondern es ist darüber auch gar nicht auf politischer Ebene, sondern auf Verwaltungsebene zu entscheiden auf Basis von Normen, Richtlinien und verkehrsrechtlichen Erfordernissen. Zumal würde das den Bemühungen, Straßenbahngleiskörper verstärkt mit baulichen Maßnahmen wie Stuttgarter Schwellen und Grüngleisen vor dem restlichen Verkehr zu schützen, zuwiderlaufen. Diese Forderung ist nicht umsetzbar, nicht vernünftig und rein populistisch.
Punkt 2 in Anzengrubers Mobilitätsprogramm lautet:
"Signalanlagen minimieren".
Eine Initiative zur Beseitigung von 23 Ampelanlagen im Jahr 2014 schlug fehl, weil auch darüber auf Basis von Normen, Richtlinien und verkehrsrechtlichen Erfordernissen die Verwaltung zu entscheiden hat. Die merkliche Zunahme des "Ampelwaldes" kann kritisiert werden, ist jedoch nicht kommunalpolitisch regelbar, sondern über die Gremien der "Forschungsgesellschaft Straße - Schiene - Verkehr" (FSV), die das Richtlinienwerk "Richtlinien und Vorschriften für das Straßenwesen" (RVS) herausgibt. Jede Abweichung von den Vorgaben der RVS birgt rechtliche Risiken für die Stadt Innsbruck. Anzengruber fehlen offenbar die entsprechenden Sachkenntnisse oder er ignoriert sie. Hinzu kommt, dass manche Stellen im Schienennetz in Zukunft besser mit Signalen gegen den Individualverkehr abgesichert werden sollten, was dieser Forderung entgegensteht. Auch für diese Forderung gilt: nicht machbar; Populismus.
In Punkt 4 fordert der ehemalige AlmWirt:
"Durchzugsverkehr in Wohngebieten reduzieren: Ausbau von Einbahnsystemen und 30er-Zonen".
Einbahnsysteme sind ein Verkehrslenkungsinstrument der 1960er- und 1970er-Jahre. Sie schaffen Platz für noch mehr Autoverkehr und noch mehr Parkstreifen, weswegen sie damals im Sinne der "autogerechten Stadt" auch forciert wurden. Hinzu kommt, dass die Verordnung neuer Einbahnen großen administrativen Aufwand mit sich bringt und neue Einbahnen so gestaltet werden müssten, dass öffentlicher Verkehr und/oder Radverkehr nicht beeinträchtigt werden bzw. nicht umgeleitet werden müssen. Die Forderung darf somit als gröbster Unsinn bezeichnet werden. Sie ist populistisch und fachlich falsch.
"Reengenering und Entsiegelung großer Straßen" nennt sich Punkt 6 im Anzengruber-Katalog.
Die kontextuelle Bedeutung von Re-Engineering (sic!) bleibt allerdings unerläutert. Anzengruber erwähnt hier Grassmayrkreuzung und Südring, was eine Wiederaufnahme des abgesagten Projekts "Grassmayrtunnel" befürchten lässt. Der Grassmayrtunnel, seinerzeit mit Erricbtungskosten von € 40 Mio. beziffert, würde die Autoverkehrskapazität in diesem Bereich nahezu verdoppeln. Hinzu kommt, dass das Vorhandensein großer unterirdischer Anlagen jede Entsiegelung, wegen des nötigen Grundwassermanagements auch im Nahebereich, verunmöglicht. Die Forderung kann als Populismus und inhaltsleer kategorisiert werden.
Als Punkt 8 finden sich
"Kostengünstige ÖPNV-Tickets".
Im Text dazu fordert Anzengruber "kostenlosen Stadt-ÖPNV". Die Jahreskosten für solche "Gratis-Öffis" würden im mittleren zweistelligen Millionenbereich liegen, während aber gleichzeitig äußerst teure Infrastruktur-Investitionen anliegen (weiterer Ausbau Straßenbahnnetz, Busnetzdekarbonisierung), was aber nicht erwähnt wird. Daher sind solche GRatis-Öffis nicht machbar und der Wahlprogrammpunkt reiner Populismus.
Punkt 14 lautet:
"Stadtbahnen entwickeln".
Damit gemeint sei laut Beschreibungstext "Integration in das Stadtzentrum, Nutzung von Überflur- und Magnetschwebebahnen". Abgesehen davon, dass das Zentrum breits durch hochrangigen Schienenverkehr erschlossen ist, sind "Überflurbahnen" nicht existent, es sei denn, der Begriff bezieht sich auf Monorails, die masssive Auswirkungen aufs Stadtbild und die ca. zehnfachen Errichtungskosten einer Straßenbahn aufweisen; Magnetschwebebahnen hingegen sind ein kontrovers diskutiertes und selten realisiertes Verkehrsmittel ausschließlich für den Hochgeschwindigkeits-Fernverkehr mit äußerst hohen Errichtungs- und Betriebskosten. Man darf sich die Frage stellen, ob Anzengruber mit 400 km/h von der Reichenau in die Altstadt fahren möchte. Das Stadtbahnsystem, für das Innsbruck sich wie etliche andere mittlere Großstädte entschieden hat, ist die Tram, deren Netz tatsächlich konkreten Erweiterungsbedarf hat, was auch eine in Fertigstellung befindliche Studie des Landes Tirol in Zusammenarbeit mit IVB und verschiedenen Universitäten aussagt. Zum Theme Tram-Ausbau findet sich in Anzengrubers Wahlprogramm aber nichts. Auch hier gilt leider: fachlich falsch; Populismus.
Als Punkt 16 findet sich schließlich die Phrase
"Stadtteilverbindungen verbessern".
Es gehe um "Über- und Unterführungen für einen effizienten Stadtverkehr". Anzengruber lässt offen, was er damit genau meint. Über und Unterführungen für Zufußgehende waren jedoch ein wesentliches Merkmal der "Autogerechten Stadt", um den Autoverkehr störungsfrei zu halten. Man ist längst dazu übergegangen, Unterführungen, die auch Angsträume sind, und nicht barrierefreie Fußgänger:innenbrücken zu schließen und abzubauen. Ebenfalls ungünstig wirksam wären neue Über- und Unterführungen für den Autoverkehr, da sie dessen Kapazitäten erweitern würden. Damit ist auch dieser Punkt fachlich falsch und mobilitätspolitisch fragwürdig, eine inhaltsleere Phrase.
Die Informationen zum Wahlprogramm Anzengrubers wurden dem Webauftritt der Liste "JA" unter https://www.jetzt-innsbruck.at/themen/mobilitaet-verkehr/ entnommen (zuletzt abgerufen am 21.4.2024).
Die gesamte Analyse von Manni Schneiderbauer ist
hier als PDF verfügbar.